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zur Chronik
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Text des Monats
Die Kirschbäume in meiner Straße
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Beglückt sind wir alle. Über die Blüte der Kirsche in unserer Straße. Sicher warten wir alle,
jedes Jahr erneut nach dem Winter, auf die Blüte, Ende April, Anfang Mai. Dann ist Frühjahr.
Wenn die Blättchen braun am Boden liegen: zermatscht durch Regen, Fahrzeuge, die über sie fahren
und Menschen, die darauf herumtrampelten, haben nur Kinder, die es nicht sehr zahlreich im Viertel
gibt, und der Wind damit gespielt. Wir Anwohner spüren Freude und dann Ärger. Wie leicht und
unbeschwert die Blütenblätter sind. Wir werden wieder fröhlich und immer steigen Erinnerungen
an eigenes Kind sein auf. Aber dann in die Gegenwart. Meine Nachbarin schimpft über den Dreck,
der nun entstanden ist. Er bringt wieder Arbeit. So verrückt ist die Welt.
Die Stadtreinigung entfernt die vergehende Blütenpracht mit der Kehrmaschine und die Autobesitzer
sind dankbar über die gereinigten Parkflächen. Grün belaubt sind die Bäume nun den ganzen Sommer
über, bis in den Herbst hinein.
Jetzt im November wird es nochmal aufregend mit diesen Bäumen. Dunkelheit am Nachmittag und
kalte Luft machen mir klar, dass das Jahr zu Ende geht. Die Blätter der Kirschbäume verfärben
sich und ich empfinde ein Glühen, als ob die Straße zu brennen anfangen würde. Das Farbenspiel
der Blätter und die abendliche Färbung beim Untergehen der Sonne trösten mich in meiner
Melancholie. In mir dann aber die Gewissheit: das Spiel hat kein Ende und der Anfang ist schon da.
Auch der Winter wird vorüber gehen.
(Michael Günther)
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